Seit vielen Jahren arbeite ich mit handgeschöpften Papieren und stelle Skulpturen und Lichter aus Naturpapieren her. Meistens forme ich Hohlkörper aus sehr dünnen Papieren, die man beleuchten kann. Nun wollte ich Papier und Naturmaterial verbinden und daraus Schalen und Gefäße herstellen. Dank eines Künstlerstipendiums des Landes NRW im Rahmen der Corona Hilfen, konnte ich dieses aufwendige Projekt verwirklichen.
Im Laufe des Jahres habe ich viele Fotos von Pflanzen, Blättern und Blüten gemacht. Bei näherer Betrachtung sieht man feine Strukturen, Symmetrien oder interessante Formen. Davon will ich mich in meinem Projekt inspirieren lassen und Schalen, Gefäße oder Nachbildungen herstellen.
Foto: Teil einer Samenschale der Koelreuteria
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Samenhülsen
Die Samenhülsen der Koelreuteria besteht aus drei Teilen. Eines davon wollte ich imitieren.
Pulpe aus Blättern
Aus den Blättern der Koelreuteria habe ich eine Grundmasse für die Herstellung der Form gekocht.
Samenkugel
Auch die Samenkugel formte ich aus der Naturmasse.
Eine Experimentierreise:
ich möchte Schalen und Gefäße herstellen, die von Details aus der Natur inspiriert sind und sie imitieren.
Mit meiner langjährigen Erfahrung mit Naturpapieren und Papiermaschée hatte ich die Vorstellung über genügend Wissen zu verfügen, meine Projektidee direkt umzusetzen: Ich habe einen Papierbrei aus Loktamaterial hergestellt und versuchte ein Detail aus einem Grassamen nachzubauen. Nach mehreren Versuchen und vielen Arbeitsstunden wollte die Schale nicht so gelingen, wie ich sie mir vorgestellt habe. Das Material wurde spröde, riss an glatten Stellen, und fiel in sich zusammen. Hinzu kam, dass es nicht so geschmeidig war und sich nicht so filigran formen ließ, wie ich es mir wünschte.
Gerne hätte ich das Material wie Ton genutzt, doch die Konsistenz und die langen Loktafasern ließen das nicht zu.
Mein Arbeitstisch verwandelte sich im Laufe der Projektzeit zu einem Versuchslabor. Regelmäßig war er mit den verschiedenen Materialien übersät.
Mit einer Silikonform konnte ich eine Spargelstange immitieren.
Manche Versuche gingen komplett schief. Hier habe ich Spargelfasern über einer Form trocknen lassen. Die Fasern verzogen sich in alle Richtungen, nur nicht in die gewünschte Schalenform.
Ich recherchierte nach Papiermaschée-Rezepten und stellte fest, dass jeder Papierkünstler projektabhängig seine eigenen Rezepturen bevorzugt und diese als ultimative Rezepte darstellt. Ich musste also selbst mit verschiedenen Materialien experimentieren, um meinen Vorstellungen näher zu kommen.
Ich schaffte neben ein paar Werkzeugen auch verschiedene Materialien, Pigmente, Farben und Formen an. Dann verarbeitete ich neben Loktafasern auch bedruckte Papiere, Kartons, Zeitungen, Naturfasern und Blätter und vermischte sie mit verschiedenen Leimarten.
Auch rührte ich Produkte wie Steinmehl, Sand, Seife, Pflanzenöl, Salz, Alaun, Mehl oder Stärke unter, um die Konsistenz zu verändern. Aber auch vorgefertigte Papiermaschée-Produkte, die im Handel erhältlich sind, versuchte ich einzuarbeiten oder mit eigenen Materialien zu kombinieren. Außerdem experimentierte ich mit Silikonformen, um naturgetreue Abformungen herstellen zu können.
Jede Faser brachte individuelle Eigenschaften mit: lange Fasern eigneten sich nicht für filigrane Nachbildungen, waren dafür aber sehr stabil. Fertigmischungen neigten zu verklumpen und waren eher instabil und zerbrachen.
Hinzu kam noch der Schrumpfungsprozess während der Trocknung; da verwandelte sich eine scheinbar gelungene glatte Oberfläche schnell zu einer Mondlandschaft.
Ich versuche die Oberfläche mehrfach zu glätten.
Innenseite der Schale
Rückseite der Schale mit den Blütensegmenten.
Nicht immer waren die Ergebnisse zufriedenstellend, doch im Laufe der Zeit entstanden einige Versuchs-Exponate.
Ich experimentierte bei diesem Exponat mit Buchenlaub.
Nach der mißglückten Nachformung des Grasssamens wollte ich wenigstens die Form des Samenkorns als Dekor aufgreifen. Ich legte kleine Grassamen um den Rand der Schale.
Nach dieser sehr zeitintensiven Versuchsphase wollte ich mich wieder auf meine ursprüngliche Idee konzentrieren. Während der Auseinandersetzung mit dem Material und der Herstellung der vorhergehenden Exponate, wurde deutlich, wie schwierig es war, alle meine Projektansprüche in einem Exponat zu vereinbaren:
ein Gefäß, das aussah wir ein Pflanzendetail, dessen Farbe und Struktur naturgetreu ist, hergestellt aus Papier und aus den eigenen Pflanzenmaterialien. Daher entschied ich mich eher einer Inspiration zu folgen und den Fokus entweder auf die Struktur, die Form, die Farbe oder das Material selbst zu legen.
Eines meiner Werke ist eine stark vergrößerte Nachbildung eines Sedum-Pflanzen Blatts. Das Material der Sedum-Pflanzen würde nicht genügend Fasern hergeben, so schien es hier sinnvoll zu sein, sich eher auf die Form zu konzentrieren. Ich stellte eine passenden Materialmischung her und mithilfe einer Drahtkonstruktion konnte ich das Blatt der Pflanze nachformen. Endlich erhielt ich ein zufriedenstellendes Ergebnis, das meiner Vorstellung entsprach. Dank der vielen Versuche wurde mein Verständnis für die Materialeigenschaften besser und ich konnte nun entsprechend meiner Idee das richtige Material wählen.
Für das nächste Objekt vermischte ich Blätter des Mispelbaumes mit Loktafasern.
Diese Materialmischung war erstaunlich stabil und ließ sich sehr gut formen. Die Blätter färbten das gesamte Material ein und die Farbe sah der Mispel Frucht farblich überraschend ähnlich.
Ich entschied mich aus dem Material eine freie Schalenform herzustellen. Hierbei fokussierte ich mich also auf Farbe und Material, wobei die Form unabhängig war.
Ganz anders bearbeitete ich die Nachbildung einer Birkensamenhülle. Ich formte ein Samenkorn aus einer sehr hellen, feinen Papierpulpe zu einer Skulptur. Bei dieser Arbeit stand die Form im Mittelpunkt und das Material musste nach dem Trocknen mit mehreren Farbschichten überarbeitet werden. Interessant wäre hier sicher nochmal der Vergleich mit einem zweiten Objekt, hergestellt mit einer Pulpe aus Birkenblättern.
Birkenblätter und Samen
Samen und Samenhülle
Verschiedene Farbaufträge machen die Oberfläche lebendig.
Im Gegensatz zu anfänglichen Versuchen gelang mir nun auch mit den Blättern der Koelreuteria die Nachbildung einer Samenhülle. Das Material ließ sich gut verarbeiten, allerdings war diese Pulpe wiederum nicht für filigrane Details geeignet. Durch die Zugabe der Naturmaterialien erhielt die getrocknete Pulpe eine interessante, intensive Eigenwirkung. Die Oberfläche sowie auch die Farbe wirkten durch die eingearbeiteten Blättstückchen sehr naturnah. Weiteres Bemalen des Objektes war daher gar nicht nötig und hätte der Wirkung eher geschadet.
Ich experimentierte noch mit weiteren Materialien und stellte noch drei Schalen her: Inspiriert von den Birkensamen und den transparenten Häutchen stellte ich eine Schale aus Transparentpapier her.
Die Imitation der vielen Pollen der Herbstanemone waren schon eine Herausforderung, doch die fertige Schale hätte wohl noch dreimal so viele Pollen gebraucht.
Birkensamen, bei genauer Betrachtung sieht man noch zwei kleine Härchen - da sieht fast aus wie ein kleines Insekt mit zwei Fühlern.
Schale inspiriert von Birkensamen
Blütenpollen der Herbstanemone
Herstellung der Blütenpollen
Schale mit Pollen der Herbstanemone
Kleine Baumpilze
Die Herstellung der Baumpilze ist noch nicht abgeschlossen, die Baumscheibe muß noch trocknen.
Mit diesen Nachbildungen beendete ich vorerst diese Projektarbeit.
Durch die intensive Auseinandersetzung mit den Naturmaterialien sowie auch mit den Papier-Materialmischungen konnte ich meine Erfahrungen erheblich erweitern.
Mit den vorhergehenden Erfahrungen weiß ich wie ich die verschiedenen Materialien für gezielte Ergebnisse einsetzen kann.
Zum Ende des Projektes stehe ich am Anfang einer neuen Serie mit vielen neuen Ideen. Nachfolgend seht ihr Inspirationen für weitere Immitationen. Immer wieder begegnen mir neue Ideen. Sicher werde ich noch einige davon verwirklichen.
Ziererdbeere
Sedum
Staudenwicke
Lavendelblütenansatz
Sedum
Löwenzahn
Gerne werde ich mein neu erworbenes Wissen mit euch anderen Künstlern und Interessierten teilen. Materialbeschreibungen, Rezepte und meine eigenen Erfahrungen will ich im kommenden Jahr aufarbeiten und bei YouTube zur Verfügung stellen.
Sofern wir zukünftig eine hoffentlich ruhigere Corona-Zeit erwarten können, plane ich auch eine Ausstellung der interessantesten Exponate.
An dieser Stelle herzlichen Dank für das Stipendium, mit dem ich die umfangreiche Projektarbeit durchführen konnte.
Nachfolgend zeige ich noch ein paar Impressionen aus den Arbeitsprozeßen. Ein Zusammenschnitt einiger Videoaufnahmen stelle ich an dieser Stelle ein, sobald dieser bearbeitet ist.