Dieses Projekt lag mir schon lange am Herzen: nachdem ich vor einiger Zeit für eine Ausstellung "Kartoffelpapiere" hergestellt hatte, wollte ich unbedingt auch andere Pflanzen zu Papieren verarbeiten. Dank eines Künstlerstipendiums des Landes NRW im Rahmen der Corona Hilfen, konnte ich dieses langwierige Projekt verwirklichen. Zu verschiedenen Jahreszeiten sammle ich Blätter, Blüten, Wurzeln und stelle daraus jeweils Farben und ein Blatt Papier her. Später wollte ich ich mit den verschiedenen Papieren jeweils jahreszeitliche Eindrücke entstehen lassen.
Seht, welch unterschiedliche, manchmal auch unerwartete Papiere und Farben entstanden sind und wie sich die Projektidee entwickelt hat.
Ich zeige euch die Materialien, den Arbeitsprozess und interessante und kuriose Ergebnisse. Ihr findet hier auch die Erklärungen wie ich die Farben und Papiere gemacht habe. Lasst euch davon inspirieren selbst Papiere aus Naturmaterialien zu schöpfen.
Foto: Mohnblume und Mohnblumenpapier
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Rotkohlpapier
Im Hintergrund sieht man die schönen Farben, die daraus entstanden sind.
Granatapfelfarben
Der Granatapfel hat gleich drei verschiedene Farbtöne gergegeben, das fand ich überraschend und besonders spannend.
Forsythienpapier
Die Forsythienblüten ergebn einen schönen gelben Farbton und ein strukturiertes Papier.
Nun aber von Anfang an
Hier will ich euch auch etwas über den Prozess erzählen und wie ich interessante, überraschende aber auch enttäuschende Ergebnisse erzielte.
Ursprüngliches Ziel meiner Projektidee war es "allein durch die Verschiedenartigkeit der handgeschöpften Papiere die Jahreszeiten widerzuspiegeln". Anfangs versuchte ich die Naturmaterialien durch stundenlanges Aufkochen aufzuschließen und dadurch einen Papierbrei herzustellen. Auf dem Foto seht ihr getrocknetes Rapskraut. Papiere aus Rotbuchenblättern, Roter Hartriegelstengeln oder Waldrebenblüten wurden braun, beige oder grau. Die Papiere waren von interessanter Struktur, doch die Farbergebnisse reichten mir nicht aus, da ich doch verschiedene Farben haben wollte.
Da ich dem Ausdruck der Jahreszeiten den Vorzug geben wollte, experimentierte ich mit weiteren Naturmaterialien. Nun stellte ich eine Papierpulpe als Grundmaterial her und fügte verschiedene Naturmaterialien hinzu. Auf den Videos seht ihr den Prozeß des Papierschöpfens.
Papierpulpe kochen
Aus Loktafasern kochte ich ein Grundmaterial und wollte dies mit weiteren Materialien aus der Natur vermischen.
Papierpulpe schreddern
Zum Papierschöpfen sind die gekochten Fasern noch zu grob. In einem Mixer zerkleinerte ich sie.
Papier schöpfen
Diesem Grundmaterial fügte ich getrocknete Pflanzen hinzu, um weitere Ergebnisse zu erzielen.
Viele interessante Papiere sind entstanden und ich kombinierte sie mit Materialien aus meiner Pflanzensammlung. Die so enstandenen Papiere waren schön, entsprachen aber noch nicht meiner Idee.
Da ich mit ein reichhaltigeres Farbspektrum vorstellte, experimentierte ich mit weiteren Materialien. Ich trocknete Blüten und Blätter und kombinierte die entstandenen Papiere mit Aquarellfarben und eigenen Zeichnungen.
Auch diese entstandenden Exponate waren interessant und gefielen mir sehr gut, doch ich hatte den EIndruck, mich damit von meiner ursprünglichen Idee zu entfernen.
Immer wieder recherchierte ich nach Möglichkeiten, Pflanzen zu konservieren, sie gegen Insektenbefall zu schützen, das Material zu verändern oder aufzuschließen, um es für meine Arbeit nutzbar zu machen. Dabei stieß ich auf folgende Schwierigkeiten: Blüten wurden nach dem Trocknen schwarz oder bleich, zerfielen und wurden unbrauchbar, Hölzer und Rinden ließen sich nicht ohne große Mühen zerkleinern bzw. aufschließen, um sie zu Papier zu verarbeiten.
Nach weiteren Recherchen stieß ich auf die Gewinnung von Farben aus Pflanzen der Natur. Nach einigen Versuchen konnte ich aus den gesammelten Pflanzen Naturfarben herstellen. Handgeschöpfte Papiere aus Naturmaterialien in Kombination mit Naturfarben sollten mir ein breites Farbspektrum ermöglichen.
Da mir immer neue Materialien begegneten, wurde ich experimentierfreudiger und stellte Naturpapiere und Farben in unterschiedlicher Technik her. In der Regel kochte ich das Material nur kurz auf, fügte Alaun hinzu und gewann so verschiedene Farben.
Ich färbte damit Aquarellpapiere in verschiedenen Farbabstufungen ein, um möglichst viele Nuancen zu haben.
Das abgesiebte Naturmaterial verwendete ich für die Pflanzenpapiere. Nicht alle Materialien eigneten sich: Birkensamen verschimmelte im Trocknungsprozess. Andere Materialien dagegen wie z.B. Narzissen, ergaben ein hauchdünnes, lichtdurchlässiges Papier mit sehr interessanten Strukturen. Spannende Ergebnisse erzielte ich auch mit Früchten, Beeren oder Gemüse.
Mit der Zeit entstanden sehr außergewöhnliche Exponate mit interessanten Strukturen und sichtbaren Fasern. Hier seht ihr einige spannende Exemplare: Papiere aus Erdnüssen, Brennessel, Hagebutten, Waldrebenblüten, Buchenblättern und Rote Beete
Erste Zusammenstellungen und Kombinationen zeigten zwar die Vielfältigkeit, aber die einzelnen Papiere waren jedes für sich so dominant, dass sie sich in der Zusammenstellung gegenseitig die Show stahlen.
Hinzu kam, dass die Ergebnisse der Papiere teilweise vollkommen unerwartet waren: z.B. wurde aus der Vergissmeinnicht-Pflanze, die uns als hellblauer Frühlingsblüher bekannt ist, ein grau-grünes Pflanzenpapier und eine graue Naturfarbe.
Die rote Tulpe ergab ein fast schwarzes Papier ...
und eine lila-braune Pflanzenfarbe.
Aus dem grünen Rhabarber-Blatt entstand ein braunes Papier und eine gelbe Farbe.
Wie sollte ich diese Papiere jahreszeitlich einordnen - braun und grau im Frühling? Zwischenzeitlich entwickelte ich mehr Interesse für die spannenden Ergebnisse, als für die ursprüngliche Idee. Trotzdem wollte ich der Idee noch einmal nachgehen.
Ich fotografierte die Papiere und versuchte sie digital zusammenzustellen. Hier hatte ich mehr Experimentiermöglichkeiten, ohne die empfindlichen Papiere zu stören.
Ich fügte mehrere Papiere und Farbflächen aneinander und schnitt sie digital zurecht. Das war zwar eine Möglichkeit, sie zu verarbeiten, aber ich empfand die Verfremdung durch den Zuschnitt als zu stark. Die Eigenheiten der entstandenen Papiere ging verloren. Die Zusammenstellungen wirkten für mich eher erzwungen als natürlich. Gleichzeitig sah ich auch hier wieder die Problematik, dass sich die Naturpapiere mit ihren interessanten Strukturen gegenseitig den Rang ablaufen und das Auge des Betrachters irritiert über die Bildfläche hüpft.
Mit der Vielfalt der Papiere wurde die Realisierung meiner Idee immer verzwickter: wenn ich mich auf die jahreszeitlich passenden Farben konzentrierte und mehrere Papiere zusammenstellte, gerieten die interessanten Strukturen in den Hintergrund – stellte ich die interessanten Papierexponate solitär in den Vordergrund, müsste ich von den Jahreszeiten abrücken.
Ein Beispiel: wenn ich das Tulpenpapier im Frühling präsentieren möchte, würde ich ein schwarzes Papier zeigen müssen. Oder ich verbinde das schwarze Papier mit dem November – dann würde ich mit dem Tulpenpapier als Frühlingsblume den November symbolisieren.
Magnolien-Papier
Giersch-Papier
Kurkuma-Papier
Ich entschied, die jahreszeitliche Darstellung nicht mehr zu erzwingen und den Entwicklungsprozess vorerst abzuschließen. Nun legte ich den Fokus auf die Vielfalt und die Ausdruckstärke der einzelnen Papiere.
Die interessanten und unerwarteten Ergebnisse einzelner Papiere erschienen mir jetzt wichtiger als das Projekt durch Farbzwänge einzugrenzen.
Zierquitte-Papier
Flieder-Papier
Sumpfdotterblumen-Papier
Ich plante die Arbeitsprozesse, das Material und die fotografische Dokumentation der Ergebnisse. Pandemiebedingt gab es 2020 keine Möglichkeit eine Ausstellung oder Workshops zu planen.
Stattdessen entschied ich den Arbeitsprozess von der Herstellung bis zu den Ergebnissen hier auf meiner Website zu veröffentlichen. Im folgenden zeige ich noch ein paar interessante Ergebnisse.
Zierapfel
Quitte
Zwiebel
Blaukissen
Spargel
Hagebutte
Efeubeere
Waldrebe
Erdnüsse
In den nachfolgenden Bildern seht ihr den Prozeß in den einzelnen Schritten.
- Vergißmeinnicht blüten sammeln und mit ein wenig Wasser aufkochen.
- Eine Prise Alaun hinzufügen, meist löst sich der Farbtoff dann besser aus den Blüten.
- Die Fasern absieben und den Saft auffangen. (Hier mußte ich ein Foto mit anderen Blüten einfügen, da ich kein passendes hatte)
- Den Farbsaft durch aufkochen reduzieren.
- Ein dünnes Tuch auf das SIeb des Schöpfrahmens legen, mit dem oberen Rahmen schließen. Den Rahmen in eine Schüssel stellen.
- Die Blüten mit Wasser vermischen und in das Schöpfsieb gießen, verteilen und abtropfen lassen.
- Das Sieb mit den Blüten kopfüber auf trockene Tücher legen und das Wasser mit einem Schwamm vorsichtig ausdrücken.
- Das Sieb öffnen - jetzt liegt das Pflanzenpapier zwischen zwei dünnen Tüchern.
- Das Papier in einer Pflanzenpresse trocknen, täglich die Presspapiere wechseln.
- Hier sieht man, wie das Papier während der Trocknung weiter an Farbe verloren hat.
- Auf dem letzten Bild ist die Färbung des Aquarellpapieres zu sehen: einmal, zweimal und dreimal mit dem Farbsaft gestrichen.
... und hier kannst du dir die Beschreibung auch anschauen.